Isadora Duncan...

...Sterbender Odem umweht den Namen der Tänzerin und Choreografin Isadora Duncan (1877–1927). Die Tochter einer aus Irland in die USA eingewanderten Familie brach radikal mit den klassischen Traditionen und wagte es um die Jahrhundertwende – Arme wie Beine unverhüllt –, barfuss und ohne Korsett aufzutreten. Stattdessen verkörperte sie expressiv in Tunika und Chiton das griechische Schönheitsideal, bewegte sich als erste Künstlerin zu sinfonischer Musik und gilt daher als Erfinderin des modernen Ausdruckstanzes. Ihre Popularität zu Lebzeiten lässt sich durchaus mit jener der legendären Sarah Bernhardt vergleichen. Doch musste die Schauspielerin weniger schreckliche Schicksalsschläge in Kauf nehmen. Aus einer Beziehung mit dem englischen Bühnenbildner Gordon Craig stammte Isadoras Tochter Deirdre, von Paris Singer, dem millionenschweren Erben des amerikanischen Nähmaschinen-Fabrikanten, empfing sie Söhnchen Patrick. Man schrieb das Jahr 1913, als das Unglück und der Tod in Paris zusammenfanden – und das Leben der blutjungen Kinder im Unglückstod endete: Sie ertranken mitsamt dem Kindermädchen in der Seine, wegen Verschuldens des Chauffeurs.

Ein drittes Kind verstarb wenige Stunden nach der Geburt. 1922 heiratete die Tänzerin den siebzehn Jahre jüngeren russischen Dichter Sergei Jessenin, der sich 1925 im Leningrader Hotel Angleterre die Pulsadern aufschnitt und sich dann an den Heizungsrohren der Zimmerdecke aufhängte.

Drama über Drama, und trotzdem schien die einstmals ranke Frau, die nach dem Tod ihrer Kinder dem Alkohol frönte und auseinanderquoll, Lebensmut und Humor nicht ganz verloren haben: «Ich liebe Kartoffeln und junge Männer», gab sie scherzhaft kapitulierend zu. Möglicherweise war auch noch Kartoffelschnaps im Spiel. Am Tag des 14. September 1927 verliess sie ihr Appartement in Nizza, um ihren Hals schlang sie einen roten Seidenschal. Auf dem Beifahrersitz des offenen Wagens ihres Freundes Falchetto nahm das Unglück seinen Lauf. Beim Anfahren verfing sich der Schal in der rechten Hinterfelge des Autos, und obwohl Falchetto bereits nach zwanzig Metern Fahrt stoppte, kam jede Hilfe zu spät, Isadora Duncan war vom verdrehten Schal erdrosselt worden. Ob es sich beim Todesfahrzeug um einen Amilcar oder um einen Bugatti handelte, ist strittig. Auf der Bugatti-Website reklamiert die Luxusmarke die tragischen Rechte für sich. Die Tänzerin soll eine Probefahrt in einem Bugatti Typ 35 oder 37 im Sinn gehabt haben – mit dem jungen Mechaniker (und späteren Rennfahrer) Benoît Falchetto. Karel Reisz verfilmte die Tragödie 1968 unter dem Titel «Isadora» mit Vanessa Redgrave.*Jürg Zbinden